Zurück in den Kommunismus? – Eine sozialdemokratische Antwort

Von Waldemar Ritter und Jürgen Maruhn

Die Maske ist ab. Die Angst geht um bei der Linksaußenpartei. Es ist die Angst vor der Wahrheit, woher diese Partei kommt, wer sie ist und wohin sie geht. Es ist die Angst, jetzt auch von jenen erkannt zu werden, die die Verpackung für den Inhalt hielten. Morgendämmerung, vorgezogener Aschermittwoch: Auf Dauer ist Politik eben doch kein Maskenball.

Die Bundesvorsitzende der Partei mit den häufig wechselnden Namen hat mit ihren Kommunismus-Thesen Entsetzen und Empörung ausgelöst. In der Hinterbliebenen-Zeitschrift „Junge Welt“ schrieb Gesine Lötzsch munter drauflos: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung“.

Kommunismus: System der Ausbeutung und Unterdrückung

Auf den Weg machen dorthin, wo sieben Jahrzehnte Unfreiheit, Unrecht und Misswirtschaft durch Ausbeutung regierten, wo es Völkermord und Unterdrückung, wo Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen Minderheiten, gegen soziale, ökonomische und politische Gruppen stattfanden. Wege zum Kommunismus, auf denen mit Menschen experimentiert wurde, die millionenfach deportiert, vertrieben und organisiert dem Hungertod ausgesetzt wurden. Wege, die in Umerziehungslagern, in Zuchthäusern, im kommunistischen Genozid, dem Holodomor, in Konzentrationslagern, in Zwangsarbeit, in Folterzellen, im GULag und in Massengräbern endeten. Wege, auf denen die hinterlassene Blutspur von 94 Millionen umgebrachter Menschen nicht getrocknet ist. Wege zum Kommunismus, die zum Albtraum der Menschheit geworden sind.

Gesine Lötzsch hat über die Wege der „Linkspartei“ zum Kommunismus sich nicht verirrt. Sie hatte einen Entwurf, eine Textvorlage, mit der deutlich wurde, dass der Ideologiebegriff „Kommunismus“ ohne geschichtliche Einordnung und ohne Hinweis auf die Gräuel, die seinen Weg gepflastert haben, nicht verwendbar ist. Die Vorsitzende der „Linkspartei“ hat den von Michael Brie ins Manuskript geschriebenen bolschewistischen Terror heraus gestrichen und dessen Opfer mit keinem Wort erwähnt. Die damit verbundene Leugnung der kommunistischen Verbrechen hat sie nach der öffentlichen Empörung, zum Teil aus der eigenen Partei, auf die Nach-Stalin-Zeit beschränkt. Als ob es da nicht die mit Panzern nieder gewalzten Aufstände 1956 in Ungarn und 1968 in Prag (Sozialismus mit menschlichem Antlitz) oder 1980 die Gewalt gegen die polnische Solidarnosc gegeben hätte. Als ob Staaten und Völker in der ehemaligen Sowjetunion und Mittelosteuropa bis 1989 nicht von Kommunisten unterdrückt wurden. Als ob es das Pekinger Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens 1989 nicht gab. Als ob es die Mauertoten und die Folterkeller bis zur Revolution in der DDR nicht gegeben hat. Als ob es nach Stalin nicht weitere kommunistische Massenmörder, wie Mao Zedong oder Pol Pot, gegeben hätte. Als ob der Kommunismus nicht eine reale, das heißt, eine brutale, unmenschliche, blutige Geschichte hat. Die sowjetischen Archive wurden in den 90er Jahren geöffnet, und der Wissenschaft und Forschung ist es gelungen, die Logik des lange als irrational geltenden Vernichtungsfeldzuges Stalins gegen die eigene Bevölkerung nachzuvollziehen. Die Frage von Ernst Bloch ist beantwortet: Stalin hat den Kommunismus zur Kenntlichkeit gebracht.

Wie es dazu in der Linksaußenpartei aussieht, zeigt die Warnung des letzten SED-Ministerpräsidenten der DDR, Hans Modrow, unmittelbar nach den Äußerungen der Gesine Lötzsch: „Die Linkspartei sollte nicht hinter den 20. Parteitag der KPdSU zurückfallen, auf dem Stalins Verbrechen mit deutlichen Worten verurteilt wurden.“ Auf dem Moskauer Parteikonvent im Frühjahr 1956 hatte Nikita Chruschtschow die Delegierten in einer fünfstündigen Geheimrede über die Verbrechen und Gräueltaten seines Vorgängers Stalin aufgeklärt. Die Konsequenzen haben nach über 30 Jahren erst die größte Revolution seit 1789 und Gorbatschow gezogen.

Kommunimus als Experiment?

Der Frau Lötzsch und ihrer Partei sei gesagt: Wir Menschen leben nicht auf Probe. Die Opfer der verschiedenen Kommunismuswege wurden nicht virtuell, sie wurden wirklich umgebracht, fast drei Generationen, die für die unmenschlichen Irrwege des Kommunismus leiden und bezahlen mussten. Sie wurden um ihr Leben gebracht. Sie hatten wie alle Menschen kein zweites Leben im Kofferraum. Und die Vorsitzende der „Linkspartei“ will zwanzig Jahre nach der Revolution in der DDR und in Mittelosteuropa und 65 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur reaktionär zurück, um wieder Wege zum Kommunismus auszuprobieren. Sie will sich an Edisons Methode des „trial and error“ ein Beispiel nehmen. Das Beispiel heißt „Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 10.000 Wege, wie man keine Glühbirne baut“. Hat diese Parteivorsitzende der „Linken“ den Unterschied zwischen einer Glühbirne und einem Menschenleben nicht verstanden? Und hat sie deshalb die Analyse des Michael Brie, eines der wenigen Nachdenker in der „Linkspartei“, nicht begriffen? Brie schrieb schon vor sechs Jahren in einem Aufsatz mit dem Titel: „Was hätte Rosa gesagt?“ seiner Partei ins Stammbuch: „Es gab in der Linken immer eine Strömung, die um der Erreichung sozialer Ziele (… …) willen bereit war, die politische Freiheit einzuschränken oder ganz zu unterdrücken. Dies ist die Tendenz zu einem sozial orientierten Autoritarismus, die in eine sich sozial legitimierende Diktatur übergehen kann und historisch auch übergegangen ist. Und diese Diktatur ist dann wiederum unter bestimmten Bedingungen in eine totalitäre Herrschaft umgeschlagen, die die Menschheitsvernichtung im Namen des Sozialismus einschloss.“

Zur Zeit gibt es noch drei „Experimente“ auf unserer Erde: China, Kuba und Nordkorea. In Nordkorea ist der Kommunismus auf dem Weg in die Steinzeit. Das letzte „Dschungelcamp“ wurde von RTL als „Nordkorea-Wochen“ angekündigt: Misstrauen, Isolation, Hungerreis und Mehlwürmer. In Kuba sind die Armut und das Elend der Menschen so weit fortgeschritten, dass selbst Fidel Castro seinen 50-jährigen Weg für einen Irrtum hält. Und in China wurden zuerst 6o Millionen Menschen umgebracht und nach dem darauf folgenden Massaker in Peking ein Weg begangen, der direkt in einen staatsmonopolistischen Frühkapitalismus führte. In der Gegenwart ist kein Land bekannt, das in Methode, Form und Inhalt kapitalistischer ist als China. Nicht nur wegen der Akkumulation des Kapitals, nicht nur weil dort die 70-Stunden-Woche nichts besonderes ist oder weil es ein Land mit den meisten Millionären und 160 Millionen ausgebeuteten „Wanderarbeitern“ ist, die nichts zu verlieren haben als ihre Ketten und ihren Schlafsack. Es ist auch ein Land, das – als zweites nach Nazideutschland 1936 mit dem inhaftierten Carl von Ossietzky – einen Friedensnobelpreisträger, Liu Xiaobo, im Zuchthaus gefangen hält.

Aber die Vorsitzende der Linksaußenpartei will wieder Wege zum Kommunismus ausprobieren.

Zwanzig Jahre Anstrengung der Protagonisten der „Linkpartei“, vom SED-Image weg zu kommen, sind durch die Offenheit der Gesine Lötzsch über den Haufen geworfen. Auch Karl Liebknecht würde ihr vorhalten: „Aufrichtigkeit ist die höchste Form der Dummheit“. Das Desaster und die Angst der Linksaußenpartei sind unüberhörbar und unübersehbar, in der Mitgliedschaft und an der Spitze. Das bisherige Papageiengeplapper der Mitläufer ist kaum noch zu hören. Und: Es gab bisher noch nie so viele Eiertänze wie die des Gregor Gysi, den Klaus Peymann politisch sehr nachsichtig einen „abgewrackten Fernsehmoderator“ nennt oder des Klaus Ernst, dem nur noch seine extrovertierte Sprücheklopferei verbleibt, und Lafontaines, der jetzt nicht einmal mehr seiner Charakterisierung durch Willy Brandt als Mussolini-Napoleon-Verschnitt gerecht werden kann. Nur noch einige Stasileute denunzieren sich offen mit Äußerungen wütender Tobsucht.

Wir können Frau Lötzsch für ihre Offenheit dankbar sein. Bisher haben viele Wähler die Linksaußenpartei als Zeichen ihres Protestes gewählt, allenfalls weil sie einige ihrer punktuellen Forderungen gut hießen. Jetzt wissen sie, wie das volle Programm aussieht. Selbst praktisch krankt ihre „Strategie“ an vielem, auch daran, dass sie die wachsenden internationalen Zusammenhänge einfach ausblendet. Oder will sie zurück zu Stalins Motto: „Sozialismus in einem Land“? Ob das wohl ohne eine erneute Mauer gehen könnte? Die Kernfrage ist jedoch, ob die Wähler das wollen und ob sie dem demokratischen Versprechen trauen möchten. Glaubwürdig ist das jedenfalls nicht. Dennoch sollte man die Szenarien des beabsichtigten Experiments prüfen.

Frau Lötzsch will mehrere Wege zum Kommunismus ausprobieren. Das kann sie aber nur, wenn sie eine Mehrheit haben sollte. Somit hofft sie mit den Betonköpfen, dass die Krisen sich verstärken und die EU daran zerbräche. Aber was wäre, wenn der erste Versuch ihres Rezepts scheitert? Werden sie und ihre Partei das dann von selbst korrigieren? Wer trägt dann die Kosten? Oder wird die Linksaußenpartei, was wahrscheinlicher ist, das Scheitern gar nicht erst eingestehen wollen und stur auf dem falschen Weg weiter gehen? Klaus von Dohnanyi hat am 13. Januar 2011 bei Maybritt Illner zu Recht auf diese Eigendynamik eines einmal begonnenen Prozesses hingewiesen. Konkret: Welcher Politiker wird sich schon selbst bezichtigen, einen zentralen Fehler gemacht zu haben! Wird dann die „Linkspartei“ nicht versucht sein, mit aller Macht Recht zu behalten? Und wird man das „mit aller Macht“ nicht auch ganz wörtlich zu verstehen haben? Sie beruft sich ja ausdrücklich auf Rosa Luxemburgs Forderung, eine einmal erreichte Position im Staat mit Zähnen und Nägeln zu verteidigen! Wie wird sie also bei der folgenden Wahl ein neues Mandat für ein neues Experiment zu erringen hoffen? Wird die Wahl noch demokratisch sein können? Die Bewunderung der Linksaußenpartei für den venezolanischen Machthaber Hugo Chavez spricht dagegen. Und Frau Lötzsch, die gute Kontakte ins Lager der Ex-Stasi-Leute hat, könnte versucht sein, sich dort Rat und Hilfe zu holen. Mit „Zähnen und Nägeln“.

Was hätten wir zu erwarten, wenn diese Partei – nicht nur im Bund, sondern wohl auch in mehreren Bundesländern die Ressorts Inneres und Bildung mit allen ihren Macht- und Einfluss-Möglichkeiten hemmungslos nutzen könnte? Und wenn sie auf der außerparlamentarischen Schiene die „Massen“ zielgerecht mobilisierte? Das war es ja, was Rosa Luxemburg wollte. Irgendein Thema würde sich schon finden, um Bündnisgenossen zu gewinnen und Nichtkommunisten einzuschüchtern.

Ein alter Witz geht so: Als ein ahnungsloser Mensch vernahm, dass der Kommunismus ein Experiment sei, fragte er verwundert: „Aber warum hat man ihn denn nicht wie jedes Experiment erst an Tieren ausprobiert?“

Kommunismus ist Antidemokratie

Das Gedächtnis der Gesine Lötzsch sollte ausreichen für eine Erinnerung daran, was Ulbricht den kommunistischen Genossen einst empfohlen hat: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Im Schulungsmaterial der SED klingen die Anweisungungen für die „Agitprop“-Arbeit verschraubter. So heißt es beispielsweise unter dem Titel „ ‚Demokratischer Sozialismus’ – Schein und Wirklichkeit“ in einem selbstverständlich vom ZK der SED abgesegneten Büchlein von 1975: „…dass die rechten sozialdemokratischen Ideologen und Politiker ihren demokratischen Sozialismus der strategischen Defensivposition des Imperialismus im Kampf zwischen Imperialismus und Sozialismus anpassen. Ein Blick in die Geschichte des ‚demokratischen Sozialismus’ zeigt, dass seine objektive Funktion schon immer darin bestand, als ideologische Waffe der Bourgeoisie in deren Kampf gegen die Arbeiterklasse und den Sozialismus zu dienen“. Gilt diese erbärmliche Skizzierung durch eine Partei, auf deren Weg des Kommunismus die Arbeiter systembedingt ausgebeutet wurden, was schon am 17. Juni 1953 zum Arbeiter- und Volksaufstand in der DDR führte, noch heute? Oder heute wieder? Oder was sonst? Darüber haben die Verantwortlichen der „Linkspartei“ offenbar noch nicht nachgedacht, auch nicht darüber, was demokratischer Sozialismus, was Volkssouveränität, was Aufklärung, Fortschritt und Gerechtigkeit als ständige Aufgabe wirklich bedeuten.

Einen demokratischen Sozialismus ohne Freiheit und Demokratie, ohne freie Öffentlichkeit, ohne Grund- und Menschenrechte, die der Staat nicht zu gewähren, sondern zu schützen hat, ohne freie Wahlen, ohne freie Abstimmungen des Volkes, ohne frei gewählte Parlamente und Regierungen, die gewählt und abgewählt werden können, ohne Gewaltenteilung und Gleichheit vor dem Gesetz gibt es nicht. Es gibt keinen Mittelweg zwischen Demokratie und Diktatur, keinen Mittelweg zwischen Demokratie und Kommunismus oder Nationalsozialismus, keinen Mittelweg zwischen Demokratie und „fascismo rosso“, wie Ignazio Silone schon 1936 den Kommunismus bezeichnete.  Silone: „Wenn der Faschismus einmal wiederkehrt, wird er nicht so dumm sein zu sagen, er wäre der Faschismus. Er wird sagen, er sei der Antifaschismus“. Auch der erste Vorsitzende der SPD nach 1945, Kurt Schumacher, hat die Kommunisten „rotlackierte Nazis“ genannt. Die Wege in den Kommunismus können überall hin führen, aber nicht in sein Gegenteil, die Demokratie einschließlich der Strömung des demokratischen Sozialismus.

Lehren aus der Jahrhundertkonfrontation von Sozialdemokratie und Kommunismus

Heute, im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, leben wir in der Epoche, in der der Kommunismus, d.h. die totalitäre Herrschaft der mit Lenins Lehre ausgestatteten „Parteien neuen Typs“, in Europa vorüber ist. Das Volk selbst entmachtete das hinreichend durchgerostete alte Herrschaftssystem und ersetzte es durch freiheitliche demokratische Verfassungen. Diese gewaltige Errungenschaft lassen sich die Völker der gelungenen demokratischen Revolution nicht mehr nehmen, schon gar nicht durch konterrevolutionäre Fantasien der deutschen „Linkspartei“.

Auf ihrer Suche nach „Wegen zum Kommunismus durch Ausprobieren“ ignoriert die Partei mit den häufig wechselnden Namen die Geschichte des 20. Jahrhunderts, des „Jahrhundert der Diktaturen“. Die Vorsitzende der Linksaußenpartei hat den kommunistischen Terror in ihrer Rede nicht einmal erwähnt. Dies geschah nicht aus Vergesslichkeit, sondern in der zielgerichteten Absicht, die fundamentalistischen Gruppen und Sekten einschließlich DKP innerhalb und außerhalb der „Linkspartei“ nicht zu verschrecken, sondern im Gegenteil an „Die Linke“ irgendwie zu binden. Um einer taktischen Frage willen tat die Vorsitzende Lötzsch so, als befände sich die Menschheit nicht im Jahre 2011, sondern vor 1903, dem „Urknall“ der nicht nur philosophischen, sondern auch blutigen Langzeitauseinandersetzung zwischen totalitärem Leninismus-Stalinismus und freiheitlicher Demokratiebewegung, damals dargestellt durch das Schisma von Bolschewiki (später KPdSU) und Menschewiki (russische Sozialdemokraten). Die Sozialdemokraten ließ bereits Lenin politisch und physisch buchstäblich ausrotten, soweit sie nicht ins Exil entkommen konnten. Der kommunistische Vernichtungskampf gegen die Sozialdemokratie machte an den sowjetischen Grenzen nicht halt. Besonders auf die deutschen und österreichischen Sozialdemokraten hatte es Lenin abgesehen. Die SPD hatte ihm die erstrebte kommunistische Machtergreifung in Deutschland vermasselt und in einer Koalition mit dem (katholischen) Zentrum und den (liberalen) Demokraten eine anfänglich durchaus stabile parlamentarische Demokratie, die „Weimarer Republik“. geschaffen. An der Zerstörung der Demokratie von Weimar wirkten die deutschen Kommunisten (KPD) ebenso eifrig mit wie die NSDAP. Auf Weisung Stalins ernannten sie die SPD zum „Hauptfeind“. Der „Sozialfaschismus“ der SPD sei gefährlicher als der eigentliche Faschismus, bzw. Nationalsozialismus. Jetzt komme zwar Hitler, aber der werde sich nicht lange halten und „danach kommen wir“, behauptete die KPD. Auch während des Hitler-Stalin-Pakts (1939 – 1941) verhielt sich die im Moskauer Exil weilende KPD-Führung völlig Kreml-konform. Vor diesem Hintergrund ist der „Antifaschismus“ der KPD-Führung wenig glaubwürdig. Dennoch war es der Antifaschismus-Mythos der SED, durch den das in Sachen Geschichtsklitterung begabte DDR-Regime ein paar Punkte bei der eigenen Bevölkerung sammeln konnte. Wenn die heutige „Die Linke“ ein paar Pluspunkte riecht, und seien diese auch nur erschwindelt, dann ordnet sie sich ganz gern in diese Tradition ein. Die Linkspartei jongliert mit Begriffen, so auch mit dem Begriff, um den es hier hauptsächlich geht: Kommunismus.

Ein Streit um „die richtige Definition“ politisch-historischer Begriffe führt in der Regel zu keinem brauchbaren Ergebnis – besonders dann nicht, wenn so unterschiedliche Interessen und politische Grundeinstellungen im Spiel sind wie in diesem Falle. Sinnvoll ist es aber, dass Autoren sagen, was sie unter einem in Rede stehenden Begriff verstehen und ihn dann wenigstens im gleichen Artikel auch durchgehend im gleich bleibenden Verständnis verwenden. Wie am Anfang dieses Abschnitts schon angedeutet, wird hier unter Kommunismus verstanden: sowohl die totalitäre Herrschaft der mit Lenins politischen Lehren ausgestatteten „Parteien neuen Typs“ als auch die entsprechenden Bestrebungen, Bewegungen, Parteien, Ideologien und ideologischen Restbestände innerhalb von demokratischen Verfassungsstaaten.

Die Linksaußenpartei kommt mit ihrer Suche nach Wegen zum Kommunismus hundert Jahre zu spät. Die Wege sind gegangen worden, sie waren Wege grausamer Verbrechen im Namen eines ideologisch angekündigten Paradieses auf Erden. Wenn Gesine Lötzsch und ihre weniger gesprächigen Genossen diese Wege noch einmal gehen wollen, so sind das reaktionäre Rückwege in ihre Zeit, die nicht unsere Zeit, nicht die Zeit der Demokraten war. Ein hochrangiger Mitarbeiter Michail Gorbatschows sagte 1989/90 in einem ausführlichen Gespräch mit Willy Brandt: „Ihr Sozialdemokraten habt Recht behalten.“ Starke Worte aus dem Munde eines ehemaligen Gegners, der damit indirekt bestätigte: Die revolutionäre Überwindung der kommunistischen Diktatur war ein großartiger Sieg der sozialdemokratischen Idee. Allerdings – und es wäre unredlich, an dieser Stelle darüber hinweg zu gehen – in Deutschland war dieser Sieg zutiefst überschattet durch die größte personalpolitische Fehlentscheidung in der Geschichte der SPD: Die Kanzlerkandidatur des politischen Hochstaplers Lafontaine – und das ausgerechnet 1990. Die Bestrafung durch den Volkssouverän folgte auf dem Fuße.

Mobilisierung der Demokratie

Was gegenwärtig aus der Partei „Die Linke“ zu sehen ist, sind – auch wenn es bisweilen so scheinen mag – keine Szenen aus dem Irrenhaus, in dem Patienten die Ärzte spielen. Es ist die Realität einer substantiell verfassungsfeindlichen Partei, die immerhin im Deutschen Bundestag und in zwei Landesregierungen sitzt. Es ist eine Partei, die Wege zurück in das System vor der friedlichen Revolution 1989/90 sucht. So sieht eine reaktionäre aber keine linke Partei aus. „Die Linke“ ist nur ein weiterer Etikettenschwindel der KPD-SED-Fortsetzungspartei, was sich sogar aus ihrem Programmentwurf ablesen lässt.

Die aktiven Demokraten in unserer Republik müssen sich endlich aufraffen, diese Partei aktiv  bekämpfen und der Wählerschaft überzeugend darstellen, warum es gut ist für unser Land, die Etikettenschwindelpartei friedlich aus dem Parlament hinaus zu wählen. Und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die „Partei Kurt Schumachers“, wie der Vorsitzende Sigmar Gabriel im vorigen Sommer kurz nach der Bundespräsidentenwahl ganz gewiss nicht zufällig formulierte, sollte angesichts ihrer Erfahrung die Führung in diesem politischen Kampf übernehmen. Damit würdigen wir zugleich die Revolution in der DDR, den erfolgreichen Kampf der Ostdeutschen 1989/90, sowie in Mittelosteuropa, und wir ehren die Opfer der kommunistischen Verfolgung über alle Reden und Festakte hinaus durch die demokratische Aktion.

Bonn, München, 17. Februar 2011

Die Autoren

Jürgen Maruhn, Gauting bei München
Sprecher der SEEHEIMER OBERBAYERN

Waldemar Ritter, Bonn
Politologe und Historiker
Promotion über die Staats- und Gesellschaftsauffassung Kurt Schumachers
Waldemar von Knoeringen holte ihn als jugend- und bildungspolitischen Sprecher des SPD-Vorstandes nach Bonn, Herbert Wehner in das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen, wo er, wie nach der Wiedervereinigung im Bundesinnenministerium, 30 Jahre für deutschlandpolitische Fragen und innerdeutsche Kulturpolitik verantwortlich war.

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