Zum Tod von Dr. Hans-Jochen Vogel

Seeheimer Oberbayern verneigen sich vor seinem Lebenswerk und betrauern den Verlust eines Freundes, Ideengebers und Vorbilds  

Hans-Jochen Vogel (links) mit zwei seiner Nachfolger als Münchner Oberbürgermeister: Christian Ude (Mitte) und Dieter Reiter (rechts).

Die Seeheimer Oberbayern verlieren mit Hans-Jochen Vogel einen ihrer Gründer. Die SPD verliert ihre vielleicht letzte große moralische Instanz. Hans-Jochen Vogel hat sozialdemokratische Werte stets nicht nur gepredigt, sondern auch gelebt.

Gelernt hat er das unter anderem bei einem seiner Ziehväter, dem sozialdemokratischen bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner in den Jahren 1954 bis 1957. Für ihn bereinigte der Prädikatsjurist Vogel die bayerische Gesetzessammlung. Bald (1960) sollte er Münchens Oberbürgermeister werden und die Stadt in die Moderne führen.

1969 gründete Hans-Jochen Vogel zusammen mit Jürgen Maruhn in München einen Gesprächskreis, der später Maruhn-Kreis hieß und aus dem schließlich die Seeheimer Oberbayern hervorgingen. Sie waren der pragmatische Gegenentwurf zur linksideologischen Marxisten- und Juso-Bewegung, die sich damals – nicht nur – in München verbreitete und schließlich dazu führte, dass Hans-Jochen Vogel 1972 nicht wieder als Oberbürgermeister in München kandidierte und frustriert in die Bundespolitik nach Bonn wechselte.

In seiner Zeit als Oberbürgermeister leitete er den Bau der U-Bahn ein, stieß die Schaffung unzähliger bezahlbarer Mietwohnungen an und holte die Olympischen Spiele 1972 nach München. Bis heute gehen viele Errungenschaften der Stadt auf seine Planungen und Entscheidungen zurück. Er war stets von Faktenwissen, Bodenständigkeit und dem Wohle der Menschen geleitet, Ideologie und Populismus waren ihm ein Graus. Wo Konservative oder Salonsozialisten mit Dienstwagen fuhren, nutzte er die Straßenbahn.

Mit seiner Mischung aus konservativen Werten und fortschrittlicher, sozialer Politik kämpfte er nach seiner Münchner Zeit in Bonn zuerst als Bau- und später als Justizminister – unter den Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt – für lebendige Innenstädte, bezahlbaren Wohnraum und dem Primat des Gesetzes.

Hans-Jochen Vogel war in den Jahren 1972 bis 1974 auch einer der Initiatoren und „Treiber“ (neben vielen anderen) der Zusammenführung von pragmatischen und an der Sachpolitik orientierten Kreisen innerhalb der SPD und der Bundestagsfraktion (zB Lahnsteiner Kreis, Kanalarbeiter, Metzger-Kreis, Linke Mitte und andere) zu einer „organisiertem Gegengemacht“ gegen den schon spürbaren Linkskurs in der SPD. Die „Seeheimer“ waren somit aus der Taufe gehoben und trafen sich fortan regelmäßig in Seeheim an der Bergstraße.

Als er nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum der CDU/CSU gegen Helmut Schmidt bei der vorgezogenen Neuwahl 1983 gegen Helmut Kohl antrat, blieb ihm der verdiente Erfolg leider verwehrt; er erreichte dennoch für die Sozialdemokratie 38,2%(!) der Stimmen.

Mit seiner sachlichen, pragmatischen, an den Menschen orientierten und immer bescheidenen, manchmal etwas belehrenden und hartnäckigen Art Politik zu machen, war er Vorbild für Generationen in der SPD.

Er wird unserer Partei fehlen, gerade in der heutige Zeit, wo schrille, populistische Töne, Ideologien und moralisierende Identitätspolitik an die Stelle von Fakten und pragmatischen Lösungen treten. Manch einer, der heute aktiv in der Politik ist, täte gut daran, sich nicht nur am heutigen Tage sondern darüber hinaus an das Wirken von Hans-Jochen Vogel zu erinnern.

Seeheimer Oberbayern

Sprecherkreis: Robert Hagen | Dr. Fabian Winter | Georg Seidl | Dr. Ludwig Hoegner