Nach der Mitgliederbefragung – eine Bilanz

Der Berg hat gekreißt. Doch diesmal hat er keine Maus, sondern eine veritable  Machtposition für den Parteivorsitzenden gezeugt: Den Beweis für die Existenz einer pragmatischen Basis einer Partei, die sich nicht nur als staatstragend geriert, sondern in ihrem Kern so definiert. Besonders hervorzuheben: Das Ergebnis von 75,96 Prozent Zustimmung bei 77,86 % Abstimmungsbeteiligung!

Zwar ist auch eine starke Opposition zunächst eine demokratische Wunschkonstellation. Aber eine schwache, bröselige Regierungsmehrheit kann sich Deutschland angesichts der unverändert riesigen Herausforderungen – die Zukunft der Europäischen Union, die Lösung der Finanzkrise und die Konsolidierung öffentlicher Haushalte, die sich verschärfenden Probleme der Integration und der Migration, von den drohenden globalen Gefahren ganz zu schweigen – wahrlich nicht leisten.

Gabriel und seine Führungsmannschaft haben dies erkannt und u.a. einer Rot-Rot-Grünen „Krüppelkoalition“ – denn es darf stark bezweifelt werden, dass die sogenannte Linke, die sich stets in ihrer Feindschaft zur SPD definiert hat, ein verlässlicher politischer Partner ist, mit dem man Vertrauen in Europa und in der Welt gewinnen kann –  eine klare Absage erteilt.

Die Ergebnisse der letzten „GroKo“ waren nicht so schlecht! Das Schlechtreden mit all seinen Folgen für die SPD haben damals parteiinterne Kreise selber gezaubert. Nun wird es darauf ankommen den Koalitionsvertrag mit Leben zu füllen. Der Aufbau eines Mindestlohnsystems, das die Arbeitsplätze sozial fördert und ihren Bestand sichert, eine Energiepolitik, die ökologische mit ökonomischen und sozialen Aspekte endlich in Einklang bringt, eine Europapolitik, die den Motor der Einigung Europas – auch des sozialen – wieder in Gang bringt, und eine starke Außenpolitik, die nach den Pannen der vergangenen Jahre Deutschland wieder zu einem seiner Bedeutung angemessenen Mitglied der atlantischen und globalen Gemeinschaft macht.

Vorwärts also, wir schaffen das moderne Deutschland!

„Der Gesundheitszustand der Asylbewerber hat Vorrang“ – Udes Entscheidung zur Beendigung des Hungerstreikes

rh. Das Asylbewerberdrama in der Münchner Innenstadt ist beendet, aber die Irritation über den Versuch, Asylsuchende für politische Zwecke zu instrumentalisieren, bleibt. Der Versuch ist gescheitert, nicht zuletzt, weil der Münchner Oberbürgermeister den sich rapide verschlechternden Gesundheitszustand der hungerstreikenden Asylbewerber höher bewertet hat, als die Unerbittlichkeit, mit der deren Sprecher – oder selbst ernannte Anführer? – Ashkan Khorasani den Hunger- und Flüssigkeitsstreik der an die 50 Zeltbewohner bis zum bitteren Ende durchführen wollte. Bitteres Ende wohlgemerkt für die armen Asylbewerber, nicht für ihn selbst. Hungern – das machten die anderen. Für ihn? Das ist die große Frage. Vor sie gestellt sahen sich wohl auch die hochrangigen Vermittler, Hans-Jochen Vogel und Alois Glück. Sie waren von der Stadt München und dem Land Bayern bestellt und versuchten, einen gütigen Ausweg aus der Lage am Rindermarkt zu finden. Erfolglos. Was für jemanden, der beider Persönlichkeiten sensibles Herangehen an schwierige politische Aufgaben kennt, sehr ungewöhnlich erscheinen muss.

Wer ist Ashkan Khorasani? Laut „Süddeutsche“ lebt er in Berlin, ist vor drei Jahren zu Fuß über die Berge in die Türkei geflüchtet und wurde in Deutschland als politisch Verfolgter anerkannt. „Er kommt aus der kommunistischen Opposition zum Regime im Iran, und es ist nicht übertrieben, ihn als radikalisiert zu beschreiben“. Ein Ashkan Khorasani stand 2009 auf der Liste von Amnesty International als „Arrestierter in Iran“, gefangen gehalten in Kahrizak, einem Teheraner Lagerhauskomplex. Zwischenzeitlich vom obersten religiösen Führer Khamenei aufgelöst, war Kahrizak einer der berüchtigten Folterorte. Man darf davon ausgehen, dass auch Khorasani dort nichts Gutes widerfahren ist und sein positiver Asylbescheid voll gerechtfertigt ist. Nicht ganz verständlich dann allerdings, wie er in einer Erklärung bezüglich der Behandlung von Asylbewerbern in Deutschland dazu kam, von „Folter“, unter denen diese zu leiden hätten, zu sprechen.

Bereits im Herbst 2012 hat er die Aktion „Marsch für die Rechte der Flüchtlinge“ organisiert: „Wir protestieren gegen die Residenzpflicht, Sammelunterkünfte und die deutsche Asylpolitik.“ (Jetzt-Magazin vom 29.10.2012). Es herrscht Meinungs- und Demonstrationsfreiheit – dagegen ist also zunächst nichts einzuwenden. Selber hat er sich aber durch seine Äußerung „Die deutsche Regierung muss erkennen, dass politische Spiele vorüber sind und dass es nur zwei Einbahn-Straßen zu beschreiten gibt: Entweder die Erfüllung der exakten Forderung der hungerstreikenden Asylsuchenden oder Bobby Sands und Holger Meins auf den Straßen Münchens!“ nicht gerade als ein in Sachen Menschenrechte der Gewaltfreiheit Verpflichteter geoutet. Zudem ist es recht unwahrscheinlich, dass Flüchtlinge aus Afghanistan, Iran, Mali, etc. deren Namen – von deren Untaten ganz zu schweigen – auch nur kennen. So nährt es doch den Verdacht, dass die armen Zeltbewohner, neben dem Öffentlichmachen ihrer gewiss nicht angenehmen Lage und dem Eintreten für ihre teilweise vielleicht berechtigten Anliegen als Asylsuchende, ohne es gewahr zu werden auch den sehr eigenen, politischen Zielen des Anführers dienten.

Das Beispiel scheint Schule zu machen: Die Linkspartei, in Gestalt von Stadträtin Barbara Henn, hat bereits eine nächste Aktion geplant und eine Asyl-Kundgebung beantragt. „Die Innenstadt“, so schrieb die SZ, „könnte erneut zum Schauplatz eines Hunger- und Durststreiks von Flüchtlingen werden“. Unsere Stadträtin Barbara Scheuble-Schaefer warf Henn daraufhin vor, sie habe „es indirekt in Kauf genommen, dass Menschen sterben“ (SZ).

Aber auch die Fraktion der Grünen, genauer deren Vorsitzende Margarete Bause, schrieb auf ihrer Webseite: „Eine Lösung auf dem Verhandlungsweg wäre möglich gewesen, die Vermittler kamen allerdings mit leeren Händen und ohne Verhandlungsangebot. Die Flüchtlinge wurden zum wiederholten Male vertröstet, hingehalten und ihre Anliegen nicht ernst genommen.“ Von „zynischen und kaltherzige Reaktionen“ sprach sie. Auch wenn formal auf die Staatsregierung gemünzt: Waren Hans-Jochen Vogel und Alois Glück zynisch und herzlos, als sie sich um eine Lösung ohne Einsatz der Polizei bemühten? Jeder kocht offenbar hier sein politisches Süppchen.

Christian Ude hat sich mit der Maßgabe zur Räumung des Zeltlagers, bevor die ersten Toten zu beklagen waren, klar politisch wie humanitär positioniert und sich der weiteren Instrumentalisierung von Asylsuchenden zu Recht widersetzt. Dass er sich dabei in Gegensatz zum Münchner Koalitionspartner brachte, nimmt er in Kauf: Im Zweifel geht es um die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien unter Wahrung der bei Ausnahmesituationen angezeigten Sensibilität für Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen.

Andere haben da erst in den letzten Tagen versucht, nachzuziehen, aber besser spät, als nie.

Schuldenfreies Bayern ja – Mogelpackung à la Seehofer nein

München, 30.04.2012 rh. Die Haushaltspolitik Bayerns und die enormen finanziellen Herausforderungen, vor denen Freistaat angesichts der europäischen Finanz- und Schuldenkrise steht, stand im Mittelpunkt einer öffentlichen Veranstaltung der SEEHEIMER OBERBAYERN mit dem SPD-Finanzexperten Volkmar Halbleib.

Georg Seidl, Mitglied im Sprecherteam der SEEHEIMER OBERBAYERN, Finanzanalytiker in einer Münchener Bank, begrüßte im „Unionsbräu“ in München-Haidhausen den Würzburger Verwaltungswissenschaftler und stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion sowie ein hochkarätiges Publikum.

Georg Seidl und Volkmar Halbleib MdL (re.)
Georg Seidl und Volkmar Halbleib MdL (re.)
Halbleib, als parlamentarischer Haushälter Mitglied einer Zunft, die bisher eher im Verborgenen ihrer Sacharbeit nachging, berichtet, dass die Haushalts- und Finanzpolitik auf Landesebene erstmalig im Zentrum des politischen wie öffentlichen Interesses stehe. Dies sei kein Zufall, denn zu keiner Zeit habe es eine vergleichbar tiefgreifende Krise auf europäischer Ebene und deren unmittelbares Einwirken auf die nationale wie Landespolitik gegeben. Dabei stehe im Mittelpunkt das System der Europäischen „Rettungsschirme“ und der „Schuldenbremse“. Dies sei „vom Grundsatz her eine vernünftige Regelung“, so Halbleib. Eine „Schuldenbremse“ sei auch schon im Grundgesetz verankert, die europäische enthalte aber auch Sanktionierungsregelungen für den Fall der Nichtbeachtung durch einzelne EU-Länder. Dies mache unter anderem die geplante Grundgesetzänderung erforderlich.

Die bundesdeutsche Verschuldung habe die Marke von 2 Billionen Euro überschritten, von denen ein knappes Drittel auf die Länder und 7 % auf die Gemeinden entfallen. Bayern stünde mit etwa -32,5 Mrd Euro dabei noch relativ gut da. Allerdings sei insbesondere durch das von der damaligen Regierung verursachte Desaster bei der Bayerischen Landesbank, aber auch durch strukturelle Probleme, die Situation längst nicht mehr so, dass Bayern in allen Parametern und Bewertungsmaßstäben noch Spitzenpositionen einnehme.

„Haben wir überhaupt ein Problem? Wenn man der Landesregierung Glauben schenke, dann ist die Antwort offenbar nein“, so Halbleib und sezierte im Folgenden die Aussagen der Regierung und Seehofers Ankündigung, Bayern bis 2030 „schuldenfrei“ machen zu wollen, in großem Detail.

Volkmar Halbleib MdL
Volkmar Halbleib MdL
Er zeigte Defizite bei der Quote der Personalausgaben auf, die mit 42 % weit oben läge, beim Verlust der Spitzenposition bei der Investitionsquote mit nur mehr 11,5 %, bei der Zunahme der Verschuldung im letzten Jahrzehnt von etwa 1,4 Mrd. jährlich auf. Insbesondere gäbe es starke Indizien für strukturelle Defizite, sei doch der Haushalt heuer trotz ausgezeichneter Konjunkturdaten und somit hoher Steuereinnahmen nicht ausgleichbar, dies trotz Ausgabenkürzung von 440 Mio. in 2012 und geplanten jeweils einer halben Milliarde Euro in den kommenden Jahren. Die Schuldenneuaufnahme beliefe sich auf 2 Mrd. Euro. Ein Rückgriff auf Reserven sei auch nur noch bedingt möglich, das „Tafelsilber“ nicht mehr in bayerischem Besitz. „Bayern hat heute den geringsten Gestaltungsspielraum aller vergleichbaren Länder und dabei eine hohe, versteckte Verschuldung, u.a. im Bereich der Infrastrukturmängel, bedingt durch mangelnde Investitionskraft.“ Bei allem seien die Risiken der Landesbank noch gar nicht berücksichtigt. Die SPD sei für ein schuldenfreies Bayern und für eine Schuldenbremse in der Verfassung, aber parallel müsse die Sicherung der Investitionen in die Infrastruktur, etwa der Breitbandversorgung, und die Sicherung der Bildung erfolgen und es dürfe keine Verlagerung von Ausgaben an die Kommunen und kein Verstecken von Schulden geben.

In der Frage der Konsolidierung gäbe es dabei keine Dogmatik gegenseitiger Ausschließlichkeit „Einnahmeseite oder Ausgabeseite“. Beide Seiten seien im Rahmen eines anzustrebenden realistischen „Wachstumspfades“ in die Überlegungen und Maßnahmen pragmatisch einzubeziehen, Fehlentwicklungen seien zu erkennen und zurückzustutzen. Die weitere Rationalisierung in den Verwaltungen und der Abbau von Subventionen sowie die Gestaltung eines wachstumsfreundlichen Steuersystems seien für ihn kein Tabu. „Konsolidieren und Wachstumsimpulse“ sei die Parole. Bemühungen um einen „schlanken Staat“ dürften nicht in ideologische Magersucht, in Staatsfeindlichkeit von rechts, ausarten.

Halbleibs Fazit: Die Herausforderungen an die bayerischen Finanz- und Haushaltspolitik sind enorm. Mit Mogelpackungen wird man nicht weiterkommen, mit parteipolitischen Scheuklappen auch nicht. „Es gibt z.B. seit der Ankündigung Seehofers kein einziges Papier der Regierung oder der CSU, das sein Sparvorhaben konkret umsetzt.“ Auf der Grundlage einer nüchternen Analyse der Lage, der Ursachen der Krise und der Einflussgrößen sei es Aufgabe der bayerischen Politik, zwischen Schuldenbremse und Zukunftsgestaltung den Königsweg zu finden. Dreh- und Angelpunkt dabei sei eine solidarische Finanzierung notwendiger Maßnahmen. Dies war und dies sei auch heute einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren unseres Landes.

Münchner Stadtpolitik auf der MS Utting

Ammersee – MS AUGSBURG passiert MS UTTING © R. Hagen
Ammersee – MS AUGSBURG passiert MS UTTING © R. Hagen

Unter den Strahlen der die Gewitterfront auflockernden Abendsonne starteten 75 Freunde der SEEHEIMER OBERBAYERN am Sonntag, den 10. Juli 2011 zur Ammerseefahrt. Das Wetter und der See zwischen Ammer und Amper beruhigten sich pünktlich, und Herrschings Dritter Bürgermeister Werner Odemer konnte bei zunehmender Aufklarung die Geschichte des drittgrößten Gewässers Bayerns und seiner Ufer erklären.

Dass diese nun schon zur Tradition gewordenen Schifffahrten inzwischen so viel Anklang finden, dass Wartelisten eingeführt und Absagen dennoch knapp vermieden wurden – davon berichtete eingangs Jürgen Maruhn, Organisator der SEEHEIMER OBERBAYERN-Gesprächskreis Soziale Demokratie.

Carl-Christian Dressel   © R. Hagen
Carl-Christian Dressel © R. Hagen

Grüße des bundesweiten Seeheimer Kreises überbrachte Dr. Carl-Christian Dressel, Stellvertretender Bezirksvorsitzender der SPD Oberfranken. Eine professionelle, präzise Einschätzung der politischen Lage schloss sich an.

Bürgermeister Werner Odemer schilderte Entwicklungen von Ortschaften, Prachtvillen und der schönen Kirchen, allen voran das berühmte Kloster Andechs mit seiner langen und weit reichenden Geschichte. Angesichts dreier Landkreise, die sich das Ammerseeufer teilen, erschien es fast wie ein Wunder, dass es nie zu Grenzstreitigkeiten gekommen war.

Werner Odemer © R. Hagen
Werner Odemer © R. Hagen

Aber vielleicht hatten ja auch die Starnberger um ihren „hochherrschaftlichen“, von königlicher Tragik durchzogenen See mit dem eher urigen Ammersee wenig am Hut. Oder es ist Wilhelm Hoegner, dem „königlich-bayerischen“ Sozialdemokraten, einstigen Ministerpräsidenten und heimatbewussten Familienmenschen (sein Urenkel Ludwig war mit an Bord) zu verdanken, der in die bayerische Verfassung schreiben ließ: „Der Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere […] das Befahren der Gewässer […] ist jedermann gestattet.“ Heute sind die Ufer des Sees weitgehend frei von Bau- und anderen Sünde(r)n. Und Werner Odemer gab der Hoffnung Ausdruck, dass dies auch noch die nächsten 14000 Jahre so sein solle. Dann nämlich, so simulierten Wissenschaftler, wird des Ammersees Stündlein schlagen und er gänzlich verlandet sein. Spekulanten aber aufgepasst: Haftung wegen irrtümlichen Prognosen, wie in allen anderen Klimaangelegenheiten auch, sind selbstverständlich ausgeschlossen.

Dieter Reiter © R. Hagen
Dieter Reiter © R. Hagen

Hauptredner an Bord war Dieter Reiter, Referent für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München, der in freier Rede seine Politik für München vorstellte.

Die nächsten Bundestagswahlen bereits im Fokus, verwies er auf die Bedeutung deren Ausganges für die bayerische SPD und die Landeshauptstadt. „Unbedingte Glaubwürdig und Kompetenz“ – das müssten die Kriterien bei der Entscheidung über den zukünftigen Kandidaten sein.

Mit Spannung wurden seine Ausführungen zur Münchner Stadtpolitik aufgenommen, die er in acht Thesen fasste: Mit entscheidend für die Prosperität einer Großstadt vom Münchner Format sei ihr Potenzial und dessen Erschließung an ausgebildeten Kräften. München als ausgewiesene Schulstadt habe dies zwar in der Vergangenheit beherzigt, Migration und Demografie machten aber weitere, verstärkte Anstrengungen in der Bildungspolitik notwendig, um diesen essenziellen Faktor dauerhaft zum Vorteil Münchens zur Geltung zu bringen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen sei ein weiteres Kernelement moderner Stadtpolitik.

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Mut zur Sozialdemokratie – Garrelt Duin bei den SEEHEIMER OBERBAYERN

Garrelt Duin MdB
Garrelt Duin MdB

München. Die Jahresauftaktveranstaltung der SEEHEIMER OBERBAYERN am 30. Januar 2011 im vollen Saal der genossenschaftlichen Gaststätte FREILAND war einmal mehr ein für oberbayerische Sozialdemokraten besonderes Erlebnis.

Mit Garrelt Duin, dem wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagfraktion, Mitglied des SPD-Vorstandes, Sprecher des Seeheimer Kreises und ehemaliger SPD-Vorsitzender von Niedersachsen war ein Sozialdemokrat von echtem Schrot und Korn zu Gast.

Unter dem Motto „Mut zur Sozialdemokratie“ hatte Garrelt Duin in einem im Herbst 2010 entwickelten Grundsatzpapier die derzeitige Identitätskrise der SPD schonungslos analysiert. An Willy Brandts „Wir schaffen das moderne Deutschland“ (1969) zeitgemäß anknüpfend, stellt er die Begriffe der Freiheit, der sozialen Gerechtigkeit unter den Bedingungen der Globalisierung und des rasanten technischen Fortschritts als Motor für die Erneuerung des Umganges mit den Ressourcen dieser Erde und den Garanten für den Erhalt des Wirtschaftstandortes Deutschland und damit des Sozialstaates in den Mittelpunkt seiner Ausführungen.
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Hessen und die Folgen

R. H. – Das Ende naht nun also früh im kommenden Jahr mit Schrecken: Der Wähler wird über Ypsilantis Mission urteilen und er wird – davon gehen alle Auguren aus – den Stab über sie und ihre Genossen brechen.

Roland Koch war abgewählt, und Andrea Ypsilanti, die beispielsweise durch die Forderung „Koalition ja, aber mit einem anderen Regierungschef“ – unterstützt von nicht wenigen in der hessischen CDU – sehr wohl Optionen gehabt hätte, die Abstrafung Kochs auch zu vollziehen, wird nun abgewählt werden – falls sie sich überhaupt noch traut, anzutreten.

Aber sie hatte ein anderes Projekt im Kopf. Es ging ihr nicht primär um den Kopf des Ministerpräsidenten. Es ist „das linke Projekt“, das sie umtrieb, dem sie zum Durchbruch verhelfen wollte. Es ist die Suche nach der Mehrheit links von der Mitte der SPD mit Hilfe der so genannten „Linken“. Es geht um die Durchsetzung einer Politik jenseits der Agenda 2010 – niemand hat so vehement dagegen angekämpft wie sie. Es ist der Versuch, die Achse der SPD aus der einer Volkspartei hin zu einer linken Kaderpartei zu drehen – und – welche Chuzpe! – sich dabei auch noch klassischer Sozialdemokraten zu bedienen.

Mit Ausnahme von Dagmar Metzger ist dies von den meisten nicht, von den weiteren drei Aufrechten offenbar sehr spät erst wahrgenommen worden: Hier geht und ging es nicht nur um einen normalem Regierungswechsel, hier ging es wirklich, wie angekündigt, darum, den „Regierungswechsel mit einem Politikwechsel zu verbinden“. Ein Politikwechsel hin zu einer stark ideologisch motivierten Politik (siehe z. B. den Artikel „Sozialdemokratische Politik in den ‚Widersprüchen unserer Zeit‘ “ von Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer, erschienen 2007 im Parteiblatt „Hessen Rundschau“ Nr. 40).

Willy Brandt wollte zusammen mit den Liberalen „mehr Demokratie wagen“. Dieser Politikwechsel in Hessen aber sollte und musste abgesichert werden durch eine bunte Truppe von Alt-Kommunisten, Trotzkisten, DKP-Aktivisten, Vertreter von lange Jahre durch die DDR gesponserten „Friedens“-Organisationen und enttäuschten Gewerkschaftlern. Politikwechsel mit Hilfe von Systemwechslern – mit Gegnern bestenfalls, zumeist aber mit ausgewiesenen und erklärten Feinden der Sozialdemokratie. Brandt dagegen wollte – wie heute Obama – seine Politik für und mit einer breiten Öffentlichkeit neu gestalten; und schon gar nicht war seine Reformpolitik von einem Hintergehen der Wähler begleitet.

Blickt man auf die Inhalte, so wird dieselbe Diskrepanz deutlich: Brandt wollte und hat es ja auch gemeinsam mit Wehner und dann Schmidt ein gutes Stück geschafft, die zunehmend verkrustete Gesellschaft der Adenauerzeit zu reformieren und die Demokratie mit neuem Leben füllen. Reformieren! Utopien a la Hermann Scheer waren dabei nicht geplant. Und der bis heute von den Deutschen am meisten geschätzte Kanzler Helmut Schmidt überließ solche „Visionäre“ sowieso lieber den Psychiatern.
Was sind nun die Folgen für unsere Partei?

  1. Das „linke Projekt“ ist zu Recht gestoppt, denn es sucht nicht die Mehrheitsbildung innerhalb der Partei, sondern vom Rand ausgehend mit anderen und in diesem Falle sogar nichtdemokratischen Gruppierungen, wie Carmen Everts es richtig beschrieben hat.
  2. Die SPD muss endlich ihr Verhältnis zur sog. „Linken“ klären. Die SEEHEIMER OBERBAYERN haben dies schon zu Beginn des Jahres angemahnt und ein entsprechendes Grundsatzpapier der Partei und der SPD-Bundestagsfraktion zugeleitet. Dabei liegt es doch auf der Hand: eine dauerhafte Partei links von der SPD bremst unsere Rolle als mehrheitsfähige Partei erheblich. Dies müsste eigentlich unabhängig vom Standpunkt innerhalb der SPD jedem klar sein.
  3. Die Konsequenz ist klar: Die sog. Linke ist weit mehr als ein politischer Gegner; sie zu bekämpfen, insbesondere solange sie in Westdeutschland noch im Aufbau mit fragilen Strukturen und zweifelhaften Personen sich befindet, ist das Gebot der Stunde. Dies schließt vor Allem eine Fraternisierung – wie in Hessen geschehen – aus, führt dies doch nur zu einer Aufwertung dieser in Wahrheit reaktionären Partei. (Diese zu fördern liegt nachgerade in der Logik des „linken Projektes“.)

Auch in Südbayern kursiert das „linke Projekt“, befindet sich unsere Partei auf „Irr(see)wegen“. Sie manifestiert sich nicht, weil keine Aussicht auf die Macht sich abzeichnet – und sie zeichnet sich nicht ab, weil vergessen wurde, dass die Mehrheiten in der Mitte und nicht in den Randpositionen zu gewinnen sind. Und weil die mancherorts praktizierte Kaderpolitik diese Krankheit fördert, weil sie auf Stromlinienförmigkeit ausgerichtet ist und eine breite Mitwirkung und Teilhabe aller Mitglieder an der innerparteilichen Willensbildung verhindert.

Lasst uns also die hessischen Zustände zum Anlass nehmen, die SPD in Bayern in der zukunftsorientierten Tradition von Georg von Vollmar, Wilhelm Hoegner, Waldemar von Knoeringen und Hans-Jochen Vogel neu orientieren zu helfen.